Die neue Muster-Widerrufsbelehrung bringt mehr Nach- als Vorteile

16. Mai 2014

Am Freitag den 13.6.2014 ändert sich das Widerrufsrecht, das Verbrauchern Online-Händlern gegenüber von Gesetzes wegen zusteht. Sie als Shop-Betreiber sind deshalb gezwungen, die Widerrufsbelehrung, die Sie Ihren Kunden zur Verfügung stellen müssen, inhaltlich anzupassen. Entweder müssen Sie den Text umformulieren oder gleich völlig neu verfassen. Wie schon nach altem Recht gibt Ihnen der Gesetzgeber dazu Hilfe in Form einer Muster-Widerrufsbelehrung an die Hand. Wird diese genutzt, gilt sie als rechtskonform. Richter dürfen den Text inhaltlich nicht überprüfen und Ihre Konkurrenten haben mit Abmahnungen keine Chance. Die Nutzung des neuen Mustertextes wird sich allerdings deutlich schwieriger gestalten, als die der alten Vorlage. Erfahren Sie wissenswertes in diesem Gemeinschaftsartikel von Gambio und Protected Shops

Einführung

Sie als Shop-Betreiber sind nicht nur verpflichtet, Ihren Kunden ein Widerrufsrecht einzuräumen, Sie müssen auch darüber informieren, dass ein solches besteht, wie es auszuüben und was sonst noch alles zu beachten ist. Diese Informationen müssen zudem in bestimmter Art und Weise sowohl vor Vertragsschluss, als auch danach zur Verfügung gestellt werden. Um Unternehmer bei ihrer Belehrungspflicht zu unterstützen, wurde ein Muster ins Gesetz aufgenommen, das bei korrekter Verwendung Abmahnschutz bietet. Dass allerdings nur dann, wenn er Text nach Vorgabe der Gestaltungshinweise ausgefüllt wird und ansonsten „inhaltlich unverändert“ bleibt. Das dürfte für die meisten Shop-Betreiber allerdings schwer sein.

Muster als auszufüllender „Lückentext“

Der Gesetzgeber hat im Zuge der Umsetzung der Verbraucherrechte-Richtlinie (VRRL) den „alten Text“ verschlankt, um dadurch die Nutzung für Unternehmer zu vereinfachen. Im Grundtext müssen an den vorgegebenen Stellen bestimmte Angaben gemacht oder vorformulierte Textbausteine eingefügt werden. Der Händler muss entscheiden, ob die Angabe inhaltlich auf seinen Geschäftsbetrieb passt, oder unter einer Anzahl von Alternativen die zutreffende auswählen.

Gestaltungshinweise erschweren die Nutzung

Die Entscheidung, ob der vorformulierte Absatz in den Grundtext einzubauen ist oder nicht, mag noch relativ einfach sein. Problematischer wird es aber, wenn bei den aufgezählten Alternativen mehr als eine zutrifft. Der Händler hätte an der entsprechenden Stelle mehrere Textbausteine zu verwenden, um seine Kunden korrekt zu belehren. Das wird ihm durch die Gestaltungshinweise, die als Anleitung für den Mustertext dienen, allerdings verboten. Diese gestatten immer nur die Verwendung eines der angegebenen Bausteine. Eine Kombination ist rechtswidrig und somit abmahnbar. Folge ist, dass der Unternehmer in diesen Fällen mehrere Belehrungsversionen erstellen muss, wenn er sich die Konformitätsvermutung erhalten will.

Mehrere Belehrungsversionen

Im Geschäftsbetrieb müsste er dann bei jeder einzelnen Bestellung entscheiden, welche Version einschlägig ist und diese dem Kunden zur Verfügung stellen. Schon dabei gibt es aber Unwägbarkeiten. Denn über den Widerruf muss auch vor Vertragsschluss belehrt werden, also zu einem Zeitpunkt, zu dem der Shop-Betreiber noch gar nicht weiß, welches die zutreffende Belehrungsversion ist. Ausgeschlossen ist die Nutzung des gesetzlichen Musters zudem dann, wenn bei derselben Bestellung mehrere Texte übermittelt werden müssten. Denn eine derartige Handhabung würde einer „klaren und verständlichen Belehrung über das Widerrufsrecht“, wie sie das Gesetz verlangt, widersprechen. Beim Verbraucher dürften nämlich Zweifel aufkommen, welche der übersendeten Belehrungen gilt.

Dynamische Widerrufsbelehrung

Für die Erfüllung der vorvertraglichen Informationspflicht könnten Sie, sollten Sie mehrere Textversionen benötigen, ein Programm in das Shop-System implementieren, das die Belehrung parallel zur Bestellung generiert. Die Angaben des Kunden führen dann dazu, dass der eine oder der andere Textbaustein in die Vorlage eingefügt wird und am Ende die korrekte Widerrufsbelehrung steht. Diese müsste angezeigt werden, bevor der Käufer den „Bestell-Button“ anklickt, was über einen Zwischenschritt möglich wäre. Es könnte ein weiterer Button (z.B. „Bestellung abschließen“) vorgeschaltet werden, der erscheint, sobald der Verbraucher sämtliche für die Widerrufsbelehrung erforderlichen Angaben gemacht hat. Die Betätigung stellt dann noch keine rechtsverbindliche Vertragserklärung dar. Diese erfolgt erst nach Anzeige der Widerrufsbelehrung durch Betätigung des „Bestell-Buttons“.

Unüberwindbare Hindernisse beim Verkauf über Online-Marktplätze

Damit dieses System rechtssicher abläuft, müsste zunächst der eigene Web-Shop umprogrammiert und entsprechende Informationen hinterlegt werden (Gewicht, Volumen der Artikel, Paketfähigkeit oder nur mittels Spediteur transportierbar, usw.). Bei einem Verkauf über Online-Marktplätze wie eBay oder Amazon besteht diese Möglichkeit nicht. Solche Händler können die Muster-Widerrufsbelehrung in der gesetzlich vorgeschriebenen Form folglich nicht nutzen.

Die entscheidenden Stellen

Ob ein Händler mit nur einer einzigen Widerrufsbelehrung auskommt oder verschiedene Textversionen erstellen muss, entscheidet sich an zwei Stellen. Zum einen bei der Belehrung über den Beginn der Widerrufsfrist, zum anderen bei der Information über die Rücksendekosten.

Belehrung über Beginn der Widerrufsfrist

Verbraucher haben künftig – europaweit einheitlich – 14 Tage Zeit, ihren Widerruf zu erklären. Wann diese Frist beginnt, hängt allerdings zunächst davon ab, was überhaupt gekauft wird. Bei Verträgen über die Erbringung von Dienstleistungen oder die Lieferung digitaler Inhalte ist der Tag des Vertragsschlusses maßgeblich. Beim Kauf von „beweglichen Sachen“ hingegen der Tag, an dem die Ware beim Kunden eingeht. Diesbezüglich muss aber noch weiter differenziert werden. Versenden Sie nämlich mehrere Pakete auf Grund derselben Bestellung, kommt es in einigen Fällen auf den Zugang der ersten, in anderen auf den der letzten Sendung an, während bei wieder anderen Bestellungen die Anzahl der Pakete völlig irrelevant ist.

Relevant ist die letzte Lieferung

Die Zustellung der letzten Sendung ist dann maßgeblich, wenn „mehrere Waren ihm Rahmen einer einheitlichen Bestellung“ geordert werden oder der bestellte Artikel auf Grund seiner Beschaffenheit nicht in ein einziges Paket passt. Welche konkreten Artikel unter welchen Fall gefasst werden, muss erst von Richtern festgelegt werden und kann zurzeit nur vermutet werden. Ein Beispiel für den ersten Fall könnte die Bestellung eines Computers sein, der als Gesamtartikel aus Tower, Monitor, Tatstatur und Maus besteht. Der erforderliche innere Zusammenhang zwischen den einzelnen Waren könnte hier durchaus angenommen werden. Eine Ware, die mehrere Sendungen erfordert, ist beispielsweise eine Umfangreiche Stereoanlage, deren Komponenten einzeln verpackt werden müssen.

Der Verbraucher soll in beiden Fälle die Möglichkeit haben, die Ware in ihrer Gesamtheit zu prüfen, bevor er entscheidet, ob er am Kauf festhält oder den Vertrag lieber widerruft. Seine Widerrufsfrist beginnt deshalb erst dann, wenn sämtliche Teile bei ihm eingegangen sind.

Relevant ist die erste Lieferung

Anders ist es, wenn immer wieder das gleiche Produkt im Rahmen regelmäßiger Lieferungen zugestellt wird. Denn eine Entscheidung kann dann schon nach Erhalt der ersten Sendung getroffen werden. Die darauf folgenden Waren unterscheiden sich nicht in ihrer Eigenschaft, Beschaffenheit und Funktionsweise und müssen deshalb auch nicht mehr geprüft werden. Die 14 Tage laufen deshalb ab dem Tag, an dem die erste Lieferung erfolgt ist. Andernfalls würde – gerade bei unbefristeten Verträgen – das Widerrufsrecht ins Unendliche ausgedehnt werden, wenn es auf den Erhalt der letzten Sendung ankäme.

Anzahl der Pakete ist unerheblich

Daneben ist die Anzahl der verschickten Pakete unerheblich, wenn zwar mehrere Artikel innerhalb desselben Bestellvorgangs geordert werden, zwischen diesen aber kein innerer Zusammenhang besteht. Denn dann gibt es für den Gesamteinkauf keine einheitliche Widerrufsfrist sondern laufen die 14 Tage für jedes Produkt separat, sobald es beim Verbraucher angekommen ist.

Folgen bei vorliegen mehrerer Alternativen

Weist Ihr Warenangebot nun sowohl Artikel auf, die in einer Sendung geliefert werden können, daneben aber auch solche, die zwei oder noch mehr Pakete erfordern, müssten Sie mindestens zwei Belehrungstexte erstellen und den jeweils zutreffenden an Ihren Kunden übermitteln. Ist auch die Versendung mehrere Versionen an denselben Käufer erforderlich, kann das gesetzliche Muster nicht mehr genutzt werden.

Information über die Rücksendekosten

Das gleiche Problem kann bei der Belehrung über die Rücksendekosten auftreten. Künftig sind Verbraucher verpflichtet, die Kosten der Warenrücksendung im Widerrufsfall selbst zu tragen. Händler müssen folglich eine entsprechende Kostenübernahme nicht länger vereinbaren und sie ist auch nicht mehr auf bestimmte Waren, nämlich solche mit einem Wert bis zu 40,- EUR, beschränkt. Von dem gesetzlichen Grundfall können Sie zu Gunsten Ihrer Kunden allerdings abweichen. Auch nach dem 13.6.2014 können Sie diese Kosten übernehme und somit Ihr Angebot attraktiver gestalten und sich so von er Konkurrenz absetzen.

Weichenstellungen

Für welchen Weg Sie sich entscheiden, müssen Sie dem Käufer allerdings mitteilen. Das stellt die erste Weichenstellung bei der Erstellung der Muster-Widerrufsbelehrung dar. Für die Zweite ist entscheidend, ob Sie Waren vertreiben, die auf dem normalen Postweg vom Verbraucher zurückgesandt werden können oder ob die Beauftragung einer Spedition erforderlich ist. Übernehmern Sie die Rücksendekosten nicht, sondern wälzen sie auf Ihre Kunden ab, müssen Sie bei Speditionsgütern einen anderen Textbaustein einfügen als bei paketversandfähigen Waren. Verkaufen Sie beide Warenarten, müssten Sie folglich wieder zwei Textversionen erstellen und könnten das Muster nicht mehr verwenden, sobald beide an denselben Kunden geschickt werden müssten.

Zusätzliche Ungenauigkeiten

Zusätzlich zu diesen beiden Problemstellen kann die Verwendung des Musters auch zur Erweiterung des Pflichtenkreises von Händlern führen.

(K)ein Widerrufsrecht für Unternehmer

Die Muster-Widerrufsbelehrung soll von Händlern genutzt werden, um Verbraucher über das ihnen gesetzlich eingeräumte Recht zum Widerruf zu belehren. Ein Widerrufsrecht kann aber nicht nur auf Grund eines Gesetzes, sondern auch auf Grund vertraglicher Vereinbarung bestehen. In dieser Form kann es auch Kunden eingeräumt werden, die keine Verbraucher, sondern Unternehmer sind. Das werden aber nur wenige Shop-Betreiber überhaupt wollen.

Einschränkender Zusatz…

Allerdings könnte bei Übermittlung der gesetzlichen Belehrungsvorlage an einen Kunden, der eben kein Verbraucher, sondern Unternehmer ist, der Eindruck entstehen, dass ein vertragliches Widerrufsrecht besteht. Denn der Mustertext enthält keinen einschränkenden Zusatz, wie: „Verbrauchern im Sinne des § 13 BGB steht ein Widerrufsrecht nach den folgenden Maßgaben zu:“. Kommen Gerichte zu der Auffassung, dass auch Unternehmer berechtigter Weise davon ausgehen durften, dass sie den Vertrag widerrufen können, müssen Sie auch diesen den Kaufpreis erstatten, sobald die Ware an Sie retourniert wurde.

…oder „Verbraucher/Unternehmer-Check-Box“

Vermeiden können Sie eine derartige Fehlvorstellung nur, wenn Sie den genannten Zusatz einfügen oder den Belehrungstext Unternehmern nicht zur Verfügung stellen. Die erstgenannte Vorgehensweise führt zum Wegfall der Konformitätsvermutung. Denn durch den Zusatz wird die Vorlage inhaltlich verändert. Das Unternehmern die Widerrufsbelehrung nicht zur Verfügung gestellt wird, ist alternativ aber ebenfalls schwer zu gewährleisten. Zwar könnte eine entsprechende Check-Box in den Bestellvorgang eingebunden werden. Ob die gemachte Angabe dann aber auch rechtsverbindlich ist, ist zweifelhaft. Denn für die Verbrauchereigenschaft des Käufers kommt es nicht auf dessen „subjektive Einschätzung“ an, sondern auf die objektive Sachlage. Bloß weil ein Unternehmer behauptet, Verbraucher zu sein, muss er nicht auch als solcher behandelt werden.

Verlängerte Frist zur Warenrücksendung

Fehlinterpretiert werden kann auch die Vorformulierung zur Rücksendefrist. Nachdem der Verbraucher den Vertrag widerrufen hat, hat er künftig nur noch 14 Tage Zeit, die Ware an Sie zurückzusenden. Die europäische Verbraucherrechte-Richtlinie enthält darüber hinaus keine weitere Angabe, wann diese 14 Tage zu laufen beginnen. Anders das deutsche Recht. Es bestimmt, dass die Frist beginnt, sobald der Verbraucher seinen Widerruf „abgegeben hat“. Der Zugang beim Unternehmer ist nicht maßgeblich.

Ungenaue Formulierung

Das geht allerdings nicht eindeutig aus der Formulierung der Muster-Widerrufsbelehrung hervor, denn dort heißt es: „Sie haben die Waren unverzüglich und in jedem Fall spätestens binnen 14 Tagen ab dem Tag, an dem Sie uns über den Widerruf dieses Vertrages unterrichten…zurückzusenden oder zu übergeben.“ „Unterrichtet“ sind Sie aber erst dann, wenn Sie vom Widerruf Kenntnis haben, dieser also bei Ihnen eingetroffen ist. Da eine Auslegung von Erklärungen meist zu Gunsten des Verbrauchers und der Zugang stets später als die Abgabe erfolgt, ist zu befürchten, dass Richtern den Erklärungszugang beim Händler als entscheidenden Zeitpunkt ansehen werden.

Bei postalischem Widerruf

Erklärt Ihr Kunde den Widerruf über E-Mail oder Fax, oder ruft er Sie zu diesem Zweck an, dürften Abgabe und Zugang meist zeitgleich erfolgen. Anders ist das, wenn ein Brief an Sie verschickt wird. Denn die Post braucht mindestens einen Tag, meist sogar zwei oder drei Tage für die Zustellung. Das hätte eine Verlängerung der Rücksendefrist um diesen Zeitraum zur Folge. Um das zu vermeiden, müssten Sie das Muster inhaltlich ändern, mit den bekannten Folgen.

Da es wohl aber nur noch selten zu postalischen Widerrufen kommen wird und die Fristverlängerung nur wenige Tage beträgt – sofern Gerichte überhaupt zu der Auffassung gelangen, dass es auf den Zugang und nicht die Absendung ankommt -, sollte besser die Ungenauigkeit in Kauf genommen, als Abmahnungen riskiert werden.

Nutzung des Musters nur in wenigen Ausnahmefällen möglich

Rechtssicher und bequem kann die Muster-Widerrufsbelehrung künftig nur in Ausnahmefällen genutzt werden. Nämlich dann, wenn der Händler sicherstellt, dass der Kunde bei jeder Bestellung immer nur ein einziges Paket erhält. Zudem müssen die Rücksendekosten für alle Warenarten vom Unternehmer übernommen werden. Sollen sie den Kunden auferlegt werden, dürfen entweder ausschließlich paketversandfähige Waren oder ausschließlich Speditionsgüter angeboten werden. In allen anderen Fällen, müssten mehrere Textversionen erstellt und im schlimmsten Fall auch an den Käufer übermittelt werden. Letzteres dürfte aber rechtswidrig und mithin abmahnfähig ein.

Selbst die Verwendung einer inhaltlich unveränderten Muster-Widerrufsbelehrung kann für Shop-Betreiber nachteilig sein. Sie führt nämlich möglicherweise dazu, dass nicht nur Verbrauchern ein Widerrufrecht gewährt werden muss, sondern auch andern Unternehmern. Daneben kann es dazu kommen, dass die Kunden zwei bis drei Tage länger Zeit haben, um im Widerrufsfall die Waren zurückzusenden. Ob diese Risiken dem Wegfall der Konformitätsvermutung vorzuziehen sind, müssen Sie als Händler selbst entscheiden.

Anmerkung: In der ursprünglichen Version des Artikels hatte sich dem Autor ein Fehler in der Überschrift eingeschlichen, dort sagten wir das neue Widerrufsrecht bringe mehr Vor- als Nachteile anstatt andersherum.  Wir haben den Fehler korrigiert und bitten um Entschuldigung.


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