Digitaler Nachlass, Teil 1: Was der Tod eines Kunden für Händler bedeutet

Veröffentlicht: 27.09.2017 | Geschrieben von: Tina Plewinski | Letzte Aktualisierung: 28.09.2017

Der Tod ist für gewöhnlich kein Thema, mit dem sich Menschen gern auseinandersetzen. Dennoch gehört er zum Leben dazu und darf auch beim Thema Online-Handel nicht außen vor gelassen werden – denn schließlich kann Händlern und Kunden gleichermaßen etwas zustoßen. Den Hinterbliebenen und Betroffenen stellen sich im Nachhinein zahlreiche Fragen, die nicht immer ganz einfach zu beantworten sind und die mit zunehmender Digitalisierung auch immer komplexer werden. Da neben dem „traditionellen” Nachlass aus persönlichen Gegenständen oder Immobilien zunehmend auch digitale Güter relevant werden, ist eine Auseinandersetzung mit diesem vergleichsweise neuen Thema wichtig. Im ersten Teil unserer Kurzreihe zum digitalen Nachlass werden Probleme in den Blick gerückt, die mit dem Tod eines Kunden auf Händler zukommen können.

Bildschirm mit E-Commerce-Inhalt
© one photo / Shutterstock.com

Online-Händler sind in ihrem Arbeitsalltag zumeist mit Aufgaben ausgelastet, die unter anderem mit Prozessen rund um Warenbeschaffung, Bestellabwicklung, Lagerung und Logistik, Kundenservice, Internationalisierung oder mit der allgemeinen Optimierung einhergehen. Da bleibt häufig kaum Zeit, sich mit Dingen zu beschäftigen, die man lieber ausblendet – zum Beispiel, wie man als Händler reagieren muss, wenn ein Kunde ablebt. Das mag dem einen oder anderen Unternehmer vielleicht auch nicht wichtig erscheinen, doch ein kürzliches Urteil zeigt, dass solche Fälle große Aktualität haben.

Facebook-Fall rückt Problematik ins Bewusstsein

In den vergangenen Monaten wurde in den Medien immer wieder ein Prozess thematisiert, der für die Zukunft der digitalen Welt von großer Bedeutung sein könnte: Hintergrund des Falls war der bis dato ungeklärte Tod einer 15-Jährigen, deren Eltern sich durch den Zugriff auf das Facebook-Konto ihrer Tochter Informationen über die Todesumstände erhofften. Während das Berliner Landgericht 2015 in erster Instanz im Sinne der Hinterbliebenen entschied, verkündete das Berliner Kammergericht im Mai 2017 in zweiter Instanz, dass Eltern grundsätzlich keinen Zugriff auf das Facebook-Konto ihrer verstorbenen Kinder erhalten, da dies gegen das Telekommunikationsgeheimnis verstoße.

Der Senat wies in seiner Urteilsbegründung ausdrücklich darauf hin, dass er „vollstes Verständnis fu¨r das Anliegen“ der Eltern habe, die Hintergründe des Todes der eigenen Tochter zu erhellen. Dennoch sah er sich nach eigenen Angaben „rechtlich daran gehindert, diesem Ansinnen zum Erfolg verhelfen zu können“. Grundsätzlich gibt es im deutschen Recht eine sogenannte „Universalsukzession“ (§ 1922 BGB), durch die die Vererbung aller Güter an einen Erben möglich wird. Ordnete man den Mail-Account als digitales Erbe ein, hätten die Erben einen Anspruch, den gleichen Zugriff auf den Account und dessen Inhalte zu erhalten wie der Erblasser (also der Verstorbene) vorher selbst. Der Grund, weshalb dem Antrag der Eltern dennoch nicht stattgegeben wurde, liegt in der Kommunikationsfunktion von Facebook begründet: Würde man den Eltern Zugriff auf das Konto der Tochter gewähren, hätten diese nämlich nicht nur Einblicke in die persönlichen Inhalte der Verstorbenen, sondern auch in die gespeicherten Kommunikationen mit Dritten (also anderen Facebook-Nutzern). Diese Einblicke würden jedoch gegen das Telekommunikationsgeheimnis (gemäß § 88 Abs. 3 Telekommunikationsgesetz, TKG) verstoßen und die Rechte der Kommunikationspartner verletzen.

Um ähnlichen Fällen, die in der Zukunft noch erheblich mehr Relevanz erlangen werden, hält der Deutsche Anwaltverein in einer Stellungnahme zum digitalen Nachlass eine Ergänzung des Telekommunikationsgesetzes für erforderlich.

Dürfen Erben auf das Shop-Konto eines Verstorbenen zugreifen?

Wie sieht es nun aber mit dem Shop-Konto eines Nutzers aus? Verstirbt ein Kunde, darf der Erbe dann vom Händler den Zugriff auf den Shop-Account verlangen? Eine der Lieblingsantworten von Juristen ist wohl: „Das kommt darauf an!“ – Schließlich gibt es gerade im juristischen Bereich immer wieder Einzel- bzw. Spezialfälle, bei denen gewisse Umstände dafür sorgen, dass es Ausnahmen von der Regel gibt.

Grundsätzlich ist hier jedoch auf die Universalsukzession zu verweisen, die bereits im Facebook-Fall angesprochen wurde: Dabei gehen im Erbfall alle Vermögenswerte und Verpflichtungen von der verstorbenen Person (nämlich dem Erblasser) auf eine andere Person (also den Erben) über. Geht es also um einen reinen Online-Shop (ohne Facebook-ähnliche Features, die eine gespeicherte Kommunikation mit anderen Usern ermöglichen), so ist dem Erben ein Zugriff zu gewähren.

Unternehmen bzw. Händler, die von einem vermeintlichen Erben um Zugriff auf das oder Informationen zum Konto gebeten werden, sollten sich jedoch unbedingt einen entsprechenden Erbschein vorlegen lassen. Dieser stellt sicher, dass es sich tatsächlich um einen rechtmäßigen Erben handelt.

Kann der Händler auf die Begleichung einer ausstehenden Zahlung durch die Erben bestehen?

Und wieder ist diese Frage mit § 1922 BGB zu beantworten: Denn die Universalsukzession überträgt eben nicht nur Rechte, sondern auch alle Pflichten an den Erben – und in diesem Fall wird die Pflicht übertragen, allen bestehenden Verbindlichkeiten nachzukommen und beispielsweise ausstehende Zahlungen, die im Rahmen von Verträgen, Abos etc. zustande gekommen sind, (aus der Erbmasse) zu begleichen.

Natürlich wäre es für den Erben von Vorteil, wenn mit Blick auf eine Online-Bestellung die Widerrufsfrist noch nicht abgelaufen ist. Dann dürfte es sicherlich in seinem Sinne sein, den Kauf zu widerrufen und die bestellten Waren zu retournieren, sodass alle Verbindlichkeiten aus dem Online-Vertrag wieder gelöst sind.

Nachsicht ist gut fürs Image

Anzumerken wäre hier noch, dass es dem Händler mit Blick auf die Kundenzufriedenheit natürlich anzuraten wäre, in einem solchen Fall Kulanz walten zu lassen und sich mit dem Erben gütlich zu einigen. Wer sich als Hinterbliebener um die Belange eines Verstorbenen kümmern muss, hat in der Regel nicht nur mit emotionalen Schwierigkeiten zu kämpfen, sondern muss zumeist auch bürokratische Hürden meistern. Wenn sich hier ein Unternehmen rücksichtslos zeigt und sich stur stellt, dann bleibt dieses Unternehmen lange negativ im Gedächtnis und dürfte zumindest einen potenziellen neuen Kunden verloren haben.


 

Onlinehändler Magazin 09/17Bei diesem Text handelt es sich um einen Auszug aus dem aktuellen Onlinehändler Magazin. Sie möchten wissen, ob digitale Güter wie E-Books oder Lieder weitervererbt werden können? Möchten erfahren, wie Amazon, Apple und andere große Anbieter mit dem Thema des digitalen Nachlasses umgehen? Dann können Sie dies in der September-Ausgabe 2017 nachlesen. Übrigens: In der Oktober-Ausgabe des Onlinehändler Magazins werden wir thematisieren, warum Händler unbedingt für den eigenen Tod vorsorgen sollten und was es dabei zu beachten gibt.

Hier finden Sie außerdem ausführliche Hintergrundartikel zu den Themen „Wie starte ich bei Amazon?“, zum Zahlungsdienstleister Paydirekt oder auch der neuen Verpackungsverordnung. Außerdem geben wir Tipps in Sachen Amazon SEO, beleuchten die Herausforderungen bei der Lohnbuchhaltung und Fehler, die sich in Ebay Artikelbeschreibungen einschleichen können.

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Über die Autorin

Tina Plewinski
Tina Plewinski Expertin für: Amazon

Bereits Anfang 2013 verschlug es Tina eher zufällig in die Redaktion von OnlinehändlerNews und damit auch in die Welt des Online-Handels. Ein besonderes Faible hat sie nicht nur für Kaffee und Literatur, sondern auch für Amazon – egal ob neue Services, spannende Technologien oder kuriose Patente: Alles, was mit dem US-Riesen zu tun hat, lässt ihr Herz höherschlagen. Nicht umsonst zeigt sie sich als Redakteurin vom Dienst für den Amazon Watchblog verantwortlich.

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Kommentare  

#1 Andreas Battenfeld 2017-09-30 13:14
Da habe ich einen aktuellen Fall, der mir erhebliche Einbußen beschert hat. Die betagte Kundin, hat da sie keine Online-Shopping möglichkeiten hat, auf Empfehlung eines früheren Kunden zwei TV-Sessel bei mir bestellt und um Zahlung auf Rechnung gebeten. Wunsch gewährt, geliefert, Rechnung gestellt und postalisch versendet. Nach der zweiten Mahnung kam diese zurück mit dem Vermerk "nicht zustellbar" zurück. Ich habe den früheren Kunden kontaktiert, der mir mitgeteilt hat, dass die Kundin leider verstorben ist. Meine Bemühungen, über das Nachlassgericht am Ort der Kundin, Informationen über Erben einzuholen, zog sich über einige Wochen, mit dem Ergebnis, dass diese das Erbe ausgeschlagen haben. Bis dahin war die Mietwohnung durch die Wohnbaugesellsc haft bereits geräumt und mir wurde mitgeteilt, dass die neuen TV-Sessel entsorgt worden wären. So kann ich diesen Vorgang jetzt als Totalverlust abschreiben.
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