Social Proof als Marketing-Maßnahme – Wie sich die Meinung der Anderen profitabel nutzen lässt

18. November 2011

Was bedeutet social proof und wofür ist es gut?

Der englische Begriff ’social proof‘ bedeutet auf deutsch ’soziale Bewährtheit‘. Verweist wird hiermit auf das psychologische Phänomen, wenn sich Menschen – insbesondere bei Unsicherheit – an den Meinungen und Handlungen anderer orientieren.

Steht ein Mensch vor einer Kaufentscheidung und er ist noch nicht ganz davon überzeugt, dass er den Kauf nun tatsächlich abschließen sollte, spielt es für ihn eine große Rolle, ob sich ein Produkt, eine Dienstleistung o.ä. sozial, das heißt bei anderen Menschen, bewähren konnte. Und wenn dies der Fall ist, dann vertraut er diesen Urteilen gerne und entscheidet sich eher für das entsprechende Produkt, als wenn er von keinem Feedback anderer Käufer gewusst oder wenn er gar negative Bewertungen darüber gefunden hätte. Das Darstellen von Beurteilungen anderer Käufer, die ein Produkt bereits getestet haben, vermag dadurch – im besten Fall – der ausschlaggebende Faktor zu sein, der in dem noch zögernden Interessenten den letzten Impuls in Richtung Kauf auslöst.

Aus diesem Grund ist genau dieser Effekt, an den bei dem Begriff social proof gedacht wird, für Shopbetreiber ein wichtiger Aspekt, der bei der Konversionsoptimierung beachtet werden sollte.

Warum funktioniert das Prinzip?

Sind Menschen also nur Nachmacher, die sich lieber an den Meinungen anderer orientieren, anstatt sich eine eigene Meinung zu bilden?

So pauschal und zugespitzt trifft diese Aussage natürlich nicht zu. Tatsächlich aber neigen Menschen von Natur aus dazu, sich an dem Verhalten ihrer Artgenossen zu orientieren. Cavett Robert, ein amerikanischer Verkaufstrainer, meinte einmal: „Weil 95 Prozent aller Menschen Nachahmer sind und nur 5 Prozent Initiatoren, lassen sich die meisten Menschen durch das Verhalten anderer Menschen überzeugen.“ Die Wahrhaftigkeit dieser Aussage hängt allerdings m.E. von zahlreichen Faktoren ab, wie den Umständen der Situation, den beteiligten Personen, der vorgemachten Handlungen und den damit verbundenen Konsequenzen. Denn es macht bei der Entscheidung, ob man etwas nachmachen sollte, natürlich einen erheblichen Unterschied, ob es z.B. darum geht, bei Rot über die Ampel zu gehen, wenn die Straße frei ist, oder aber darum, einen Kauf zu tätigen, der einen in den finanziellen Ruin treiben könnte.

Dennoch trifft es prinzipiell zu, dass sich Menschen von dem Verhalten ihrer Mitmenschen stark beeinflussen lassen. Dies belegen z.B. zahlreiche Experimente zum Phänomen der Suggestion, in denen es sogar um die Manipulation der vermeintlich eigenen Sinneswahrnehmungen durch die Aussagen anderer Menschen geht. Einer dieser (in genau dieser oder in leicht abgewandelter Form) bekannten Tests sieht folgendermaßen aus: In einem Hörsaal sitzen eine Reihe von Studenten, denen erklärt wird, dass sich in einem Behältnis, welches sich vorne auf einem Tisch befindet, eine spezielle, stinkende Flüssigkeit befindet. Mit dieser Flüssigkeit sollte im Folgenden experimentiert werden. Die Studenten wurden aufgefordert, sich zu melden, sobald sie einen Geruch bemerkten. Tatsächlich meldete sich schon bald der erste, dem dann nach und nach fast alle Studenten folgten. Sie waren überzeugt davon, den Geruch der Flüssigkeit wahrgenommen zu haben – tatsächlich aber befand sich in dem Behälter nichts anderes als gefärbtes, geruchloses Wasser.

Dieser Beispiel-Test zeigt Folgendes: Die Ansage, dass sich in dem Behälter eine stinkende Flüssigkeit befinden würde, hat in den Studenten eine bestimmte Erwartungshaltung ausgelöst. So warteten sie förmlich darauf, die Flüssigkeit riechen zu können. Da sie den Professoren, als autoritäre Personen, vollstes Vertrauen entgegenbrachten, spielte ihre Wahrnehmung ihnen irgendwann einen Streich und ließ sie glauben, die Flüssigkeit tatsächlich zu riechen. Nachdem der Anfang durch einen aufzeigenden Kommilitonen gemacht worden war, wurde die Erwartungshaltung der anderen Studenten bestärkt und die Suggestion gefördert. Letztendlich hat sich beinahe jeder der Studenten durch die Kraft der Manipulation täuschen lassen.

Die meisten Menschen lassen sich also, wie der Ausgang dieses Experimentes beispielhaft zeigt, durch die Aussagen und Handlungen anderer erheblich beeinflussen.

Eine weitere Eigenschaft des Menschen, die beim Effekt des social proofs eine Rolle spielt, ist der Hang zur Nachahmung, der dem Menschen als soziales Wesen von Natur aus eingepflanzt ist. Für Babies und Kinder ist das Beobachten und Nachahmen von essentieller Bedeutung – denn von ihren menschlichen Vorbildern gucken sie sich das Verhalten in unterschiedlichen Situationen ab und erlernen auf diese Weise Handlungsfolgen. Ohne Nachahmung wäre bereits das Erlernen der Muttersprache – die Basis allen sozialen Lebens – unmöglich.

Wie werden diese menschlichen Veranlagungen genutzt?

Auch für erwachsene Menschen spielen die Neigung zur Manipulation durch andere und die zur Nachahmung eine große Rolle. Deshalb funktioniert der Effekt der sozialen Bewährtheit so gut und wird in vielen unterschiedlichen Bereichen der Gesellschaft profitabel eingesetzt.

Ein klassiches Beispiel hierfür sind die eingespielten Lacher vom „Publikum“ in Comedy-Sendungen, welche den Fernsehzuschauer anstecken und dazu animieren sollen, sich ebenfalls über das Gezeigte zu amüsieren. Dieses Instrument wird bei Comedy-Sendungen bereits seit vielen Jahrzehnten eingesetzt.

Wie nutzen Offline-Händler social proof?

Ein weiteres Beispiel, bei dem der Effekt des social proofs genutzt wird, sind die aktuell im Fernsehen ausgestrahlten Werbungen eines bekannten Optikers. Hier berichten „ganz normale“ Menschen, mit denen der Zuschauer sich identifizieren kann und soll, über ihre eigenen Erfahrungen mit dem Anbieter. Die Authentizität, die z.B. durch kleine Versprecher besonders betont wird, soll dem Zuschauer zeigen, dass seine Erfahrung wahrscheinlich der des Berichtenden entsprechen würde, wenn er zu diesem Optiker ginge. Vermutlich soll der Zuschauer also Schlüsse ziehen wie: „Wenn diese Frau erzählt, sie würde trotz ihres betagten Alters nicht wie eine alte Oma behandelt werden, dann werde ich, als ebenfalls ältere Dame, dort bestimmt auch nicht so behandelt.“ Was hierbei passiert ist also, dass der Zuschauer die berichteten Erfahrungen von der interviewten Person auf sich selbst überträgt und die Handlung, diesen Optiker aufzusuchen, deshalb (im Idealfall für den Werbenden) ebenfalls ausführen wird. Getreu dem beabsichtigten Effekt des social proofs: „Wenn sich der Service und die Produkte von diesem Optiker sich bei dieser, mir so ähnlichen Frau, als gut bewährt haben, dann werden sie wahrscheinlich auch für mich gut sein.“

Neben diesem konkreten Beispiel aus der (Offline-)Werbebranche spielt social proof auch bei alltäglichen Situationen eine Rolle. So ist es beispielsweise beim Einkaufsbummel durch physische Geschäfte der Natur der Sache geschuldet, dass ein potenzieller Käufer sieht, in welchem Geschäft viele Leute kaufen. Eine von draußen sichtbare lange Schlange wird den Beobachter im Optimalfall neugierig stimmen, sodass er sich das Sortiment anschauen möchte, um herauszufinden, warum hier so viele Menschen kaufen. Er wird möglicherweise sogar das Bedürfnis verspüren, sprichwörtlich auch noch „etwas vom Kuchen abhaben“ zu wollen und vielleicht auch Angst haben, ein besonders gutes Angebot zu verpassen, wenn er nicht ins Geschäft hinein geht. Auch hier zeigt sich die Steigerung des Interesses an einem Angebot, wenn man gewahr wird, dass sich etwas sozial bewährt hat.

Welche Rolle spielt social proof im Internet?

Wie an den oben beschriebenen Beispielen erkennbar, ist der Effekt der sozialen Bewährtheit keinesfalls ein neu entdecktes Phänomen der Online-Welt, sondern wird schon seit sehr langer Zeit genutzt, um potenzielle Kunden anzulocken bzw. von einem Produkt, einer Dienstleistung o.ä. zu überzeugen.

Heutzutage jedoch ergeben sich im stetig wachsenden Online-Markt zudem völlig neue Möglichkeiten, social proof gezielt einzusetzen. Bezeichnet werden solche Maßnahmen mit dem Begriff ’social commerce‘, am besten zu übersetzen mit ‚Empfehlungshandel‘.

So wird auf zahlreichen Webseiten und Onlineshops gut sichtbar gezeigt, dass vielen Nutzern ein bestimmtes Angebot gefällt oder, dass bereits viele andere Nutzer die entsprechende Aktion (z.B. den Kauf), die der Besucher im Interesse des Anbieters ausführen soll, durchgeführt haben.

In Onlineshops können solche Darstellungen besonders förderlich für die Konversionsrate sein, da Bekundungen durch andere insbesondere für Nutzer, die zum ersten Mal in einen Shop gelangen, in der Regel von großer Bedeutung sind. So können diese, aus oben erläuterten Gründen, erheblichen Einfluss auf die Kaufentscheidung nehmen. Insbesondere Zweifel bezüglich der Vertrauenswürdigkeit eines Anbieters können so bestenfalls beseitigt werden – und die Vertrauensfrage ist elementar beim Onlineshopping! Denn wenn der Nutzer kein Vertrauen zum Anbieter fasst, wird er garantiert nicht kaufen. Und weil der Mensch, wie oben erläutert, von Natur aus ein soziales Wesen ist, das sich stark am Verhalten seiner Artgenossen orientiert, glaubt er (vor allem zahlreichen und authentischen) Meinungsbekundungen von diesen gerne und lässt sich hiervon beeinflussen.

Aber der Mensch profitiert nicht nur gerne von den Berichten anderer, sondern teilt auf der anderen Seite auch gerne seine eigenen Erfahrungen mit einem Kauf o.ä. mit. Wenn dies nicht so wäre, dann würden natürlich auch keine authentischen (sondern allenfalls unechte) Berichte existieren und der social commerce würde nicht funktionieren können.

Wie nutzen Online-Händler social proof?

Die Möglichkeiten, social proof bzw. social commerce für das eigene Marketing im Internet einzusetzen, sind vielfältig.

Amazon etwa zeigt dem Nutzer, wie ein gekauftes Produkt bewertet wurde. Realisiert wird dies mit einem auf einen Blick ablesbaren Sterne-System, welches unter der Artikelbeschreibung angezeigt wird. Per Klick gelangt der Nutzer dann zum selbst verfassten Text des Käufers, wo er sich die Details zu der Bewertung durchlesen kann. Diese Art der Einbindung von Social-commerce-Elementen ist nicht nur für die Konversionsrate förderlich, sondern schafft darüber hinaus auch individuellen Content, welcher wiederum das Suchmaschinenranking positiv beeinflussen kann.

Die einfachste und inzwischen sehr weit verbreitete Möglichkeit für Shopbetreiber, social proof zu nutzen, ist zum einen die Einbindung von Like- und Google+-Button sowie zum anderen die von Kundenmeinungen, welche durch die Darstellung eines 5-Sterne-Systems gut hervorgehoben werden können.

Beim Einsatz des Facebook-Like-Buttons ist allerdings Vorsicht geboten, denn es besteht immer die Gefahr, dass nur einer geringen Zahl das Angebot augenscheinlich gefällt, was sich sicherlich negativ auf den Eindruck eines neuen Interessenten auswirken würde. Zudem sollte bei exklusiven Luxus-Produkten vorher überlegt werden, ob vielleicht besser nicht kommuniziert werden sollte, dass besonders viele Leute dieses Produkt auch mögen, um gerade nicht den Anschein einer Massenware zu erwecken.

Wie setzen andere Plattformen social proof ein?

Auf der Startseite des sozialen Netzwerkes XING z.B. wird aus einer Reihe verschiedener Testimonials jeweils eines eingeblendet, in welchem ein Mitglied in einem kurzen Statement von seiner positiven Erfahrung mit XING berichtet. Daneben erscheint das Bild dieser Person mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck. Auffallend ist, dass auch hier offenbar bewusst Menschen „wie du und ich“ dargestellt werden, die die Identifikationsmöglichkeiten fördern sollen. Die Geschlechterverteilung und die Phänotypen dieser scheinen bewusst ausgeglichen und vielseitig gewählt zu sein, damit jeder Besucher sich bei irgendeinem Aufruf der Startseite angesprochen fühlen kann. Und auch hierbei soll vermutlich gedacht werden: „Wenn diese Frau, die ungefähr so alt ist und so aussieht wie ich, über genau dieses Portal einen tollen Job gefunden hat, dann kann es ja nicht schlecht sein.“ Zusätzlich zu diesen prominent dargestellten Testimonials zeigt XING auf seiner Startseite, was welcher User gerade eben gemacht hat, á la „Max Mustermann hat das Job-Angebot ‚Mitarbeiter Vertrieb‘ eingestellt“. Diese Anzeige wird ca. sekündlich aktualisiert, wodurch demonstriert wird, dass sich tatsächlich existierende Menschen gerade hier aufhalten.

Was kann ein Shopbetreiber daraus lernen?

Social proof und social commerce sind wichtige Werkzeuge im Online-Handel, die – mit Bedacht eingesetzt – die Konversionsrate positiv beeinflussen können.

Nutzen Sie als Shopbetreiber also die Veranlagungen des Menschen, sich an seinen Artgenossen zu orientieren und seine Erfahrungen wiederum selbst mitzuteilen: Bieten Sie Ihren Käufern die Möglichkeit, Angebote zu „liken“ und gekaufte Produkte zu bewerten. Und zeigen Sie Ihrem Interessenten deutlich, dass er nicht alleine ist, sondern dass es Menschen gibt, die bereits bei Ihnen gekauft haben und mit dem Produkt und dem Service zufrieden sind!